Verfasst von: benberlin | 5. Januar 2012

Kochen. Kühlen. Kneten. – Der strassenfeger zu Besuch bei der einzigen handwerklichen Bonbonmacherei Berlins

Zu Besuch in der einzigen Bonbonmacherei Berlins in der Oranienburger Straße

Bis zu 800 begeisterte Augenpaare von Klein und Groß verfolgen am Tag jede seiner Handbewegungen hinter einer meterlangen Plexiglasscheibe. Seine Hände rühren mit einem langen Holzstab eine Zuckermasse, sie kneten die erhärtende Masse wie einen Pizzateig und führen ihn durch altertümliche Walzanlagen, um lauter kleine Förmchen entstehen zu lassen, die entfernt an farbige Weihnachtsplätzchen erinnern. Das modernste Arbeitsgerät in der kleinen Manufaktur ist noch das digitale Thermometer, dass Hjalmar Stecher, einer der letzten handwerklichen Bonbonmacher Deutschlands in den Topf mit der aufkochenden Bonbonmasse steckt, da ein normales Gerät bei dem 150 Grad heißen Dampf sofort beschlagen würde. „Auf ein bisschen moderne Technik können auch wir nicht verzichten“, sagt Stecher und grinst schelmisch, wie es so seine Art ist.

Hjalmar Stecher bei seiner Passion

Platsch!

Die Bewahrer einer Tradition

Der gelernte Musiker kam eher zufällig dazu, das beinahe ausgestorbene Handwerk des Bonbonmachens zu erlernen. Das ständige nagen am Hungerbrot seines Künstlerdaseins leidgeworden, ergriff er darum im Juli 1992 die Chance zur Übernahme des  Bonbongroßhandels eines Freundes.
In der Hoffnung auf ein geregeltes Einkommen, begann er nun, zusammen mit seiner Frau Katja Kolbe, Berliner Süßwarenläden und Marktständler zu beliefern. Als gut zwei Jahre später eine kleine Bonbonfabrik in Braunschweig kurz vor der Schließung stand, da die Betreiber in den Ruhestand gingen, entschloss sich das Unternehmerpaar kurzerhand, selbst in die Bonbonproduktion einzusteigen und konnte so viele Spezialitäten, wie die beliebten Waldmeisterblätter für die Berliner bewahren. Dabei fuhr man eine Zeit lang noch zweigleisig. So arbeitete Stecher zunächst weiterhin im Vertrieb, während sich seine Frau zuerst an die Eigenproduktion wagte.
Belieferte man in der Anfangszeit der “guten alten Garage“, in der man noch über offenem Feuer mit einfachsten Mitteln traditionell Qualitätsbonbons herstellte, noch diverse Großhändler, so sollte sich das mit den zunehmenden Preiskämpfen in der Branche bald ändern: „Wenn man täglich 500 Kilogramm Bonbonmasse kocht, die schweren Töpfe stemmt und die erhärtende Masse knetet überlegt man sich schon mit der Zeit, ob sich bei den immer niedrigeren Kampfpreisen der Großhändler die Arbeit überhaupt noch rentiert“, moniert Stecher und fasst sich an die Bandscheibe. Natürlich ist es für die Händler leichter Massen von Billigbonbons abzusetzen, als Qualitätsware unter die Leute zu bringen. Eine durchschnittliche Bonbonfabrik produziert heute gut und gern eine Tonne Bonbons in der Stunde. Aber das geht unweigerlich auf Kosten des Geschmacks. Um diesen Unterschied zu betonen, entwickelte sich die Idee einer Showküche, die den Leuten zeigen sollte, dass die von Stecher und Kolbe verkauften Bonbons tatsächlich selbstgemacht sind.

Der Showevent für Leckermäuler

Die Realisierung der Schauküche findet erstmals 1998 in einer Fabriketage in der Weiber-Wirtschaft e.G. in Berlin-Mitte statt. Eine kleine Ladenecke für den direkten Verkauf der produzierten Bonbons deckte schon damals die Mietmehrkosten im neuen Betrieb. Im Zuge einer Altlastensanierung musste das noch junge Unternehmen jedoch erneut den Standort wechseln. Heute findet sich die Bonbonküche in den Heckmann Höfen in der Oranienburger Str. 32. „Wir haben uns mittlerweile vom Großhandelsvertrieb distanziert und kochen jetzt nur noch eigene Bonbons, die wir direkt verkaufen“, so Stecher über die Gesundschrumpfung des Unternehmens.

Habe Spaß bei der Arbeit, dann musst du nie wieder arbeiten.

Wenn es dann von Mittwoch bis Samstag dreimal am Tag unter den Augen der Öffentlichkeit in der offenen Küche des Ladens ans Eingemachte geht und Stecher den Kochlöffel schwenkt, kommen nicht nur Stadtkinder des Bezirks aus dem Staunen und Schwärmen nicht mehr heraus. Hier darf jeder einmal anfassen und die noch unverarbeitete Rohmasse verköstigen. Breit grinsend, gibt Stecher jedem Interessierten gern Auskunft über seine Arbeit. Nur manchmal kann das auch in Stress ausarten, wenn zum Beispiel wieder einmal eine Klasse mit 50 Schülern in den kleinen Laden stürmt und Stecher um seine frei ausliegenden Waren bangen muss.
Der Herstellungsprozess von insgesamt über 40 verschiedene Sorten Bonbons kann bei ihm hautnah mitverfolgt und das Ergebnis in Tüten verpackt mit nach Hause genommen oder verschenkt werden. Doch ist es ratsam sich statt einer Tüte Waldmeisterbonbons für die Mutter zu Weihnachten, lieber gleich noch eine Tüte für sich selbst mitzunehmen, denn nicht nur die Berliner sind mittlerweile völlig der süßen Versuchung in den Heckmann Höfen erlegen.

Das leckere Produkt der Arbeit

Ausgabe 26, December 2011

Kochzeiten:
Mi. – Fr. Telefonisch erfragen: 030/440 552 43
Sa. 14, 16 und 18 Uhr


Antworten

  1. Diesen Blog habe ich eben erst zufällig durch eine Internetrecherche nach einer bestimmten Einrichtung für Obdachlose gefunden. Ich finde die Idee gut, einen Autorenblog zu führen. Selbst habe ich mich auch für einen Blog entschieden, auf dem ich zum Thema Obdachlosenhilfe mit dem Schwerpunkt Berlin schreibe.
    Viele Grüße


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